GRENZEN UND SOLCHE, DIE KEINE MEHR SIND

GRENZEN UND SOLCHE, DIE KEINE MEHR SIND

Schon mal von Osterburken gehört?

 

Schon mal vom Bauland gehört? Oder von Osterburken? Vielleicht im Zusammenhang mit dem Dinkelkorn? Das wird im Bauland angebaut, halbreif geerntet und sodann gedarrt, und darf unter dem Markennamen „Fränkischer Grünkern“ eine bescheidene Berühmtheit beanspruchen. Zumindest bei Feinschmeckern und Biokäufern.

Das Bauland liegt im nördlichsten Zipfel Baden-Württembergs, grenzt an den östlichen Odenwald und dürfte für die meisten Zeitgenossen ein eher unwesentliches Ländchen sein. Keine Autobahn zerschneidet es, auch von ICE-Trassen bleibt es verschont. Als Baden ein Großherzogtum war, galt das Gebiet oben im Frankenland als kaltes, dünn besiedeltes Hinterland mit unfruchtbarer Erde, als tiefste Provinz. Unbotmäßige, renitente Beamte wurden vom Großherzog mit Vorliebe ins „badische Sibirien“ strafversetzt. Schlimm genug, dass nichts in ihrem neuen Biotop sie an die heimatlichen Wein- und Obstgärten ihres Ländle erinnerte, auch mit den neuen Nachbarn kam es zum kulturellen Clash: Die Indigenen waren Franken, die sich hartnäckig zum nahen, fränkischen Würzburg hin orientierten anstatt zu ihrer weit entfernten, badischen Landeshauptstadt Karlsruhe.

Grenzen und Grenzlein

Inzwischen haben sich die Grenzen zwischen Badenern, Franken, Württembergern und den Odenwaldhessen verwischt. Sie brauchen nicht mehr verteidigt zu werden – sie sind ins Historische geglitten. Das hat einen großen Vorteil: Wenn Grenzen, diese Feindseligkeiten und Misstrauen fördernden Instrumente, in der historischen Mottenkiste abgelegt werden, wandeln sie sich oft zu kulturellen Besonderheiten, die marketingwirksam und profitabel eingesetzt werden können. Manchmal nennt man das Folklore. So kommt’s, dass „Badisch Sibirien“ heute kein Schimpfwort mehr ist, sondern als Alleinstellungsmerkmal stolz gehegt und gepflegt wird.

Was also ist so besonders am Bauland? „Badisch Sibirien“ ist doch längst in unseren republikanischen, pluralistischen Staatsbund integriert. Die Abgrenzung zu „Schwäbisch Sibirien“ (der Schwäbischen Alb) wird durch die regionalstolzen Baulandgetreuen zwar eifersüchtig gehütet, damit die beiden bloß nicht verwechselt werden, ist aber bestenfalls ein nettes, kulturelles Grenzlein.

Vor zweitausend Jahren ein Grenzgebiet, heute ein Park

Und Osterburken? Eine ländliche Kleinstadt mitten im Bauland, ohne irgendein weltgrößtes Festival, ohne Skandale. Unauffällig halt. Sechseinhalbtausend Einwohner, ein bescheidener Umsteigebahnhof, ein Flüsschen, ein Rathaus, Kirche, Schulen, Eisdiele usw. – die übliche, kleinstädtische Infrastruktur. Und eine Grenze, die keine mehr ist und einst ein Weltreich sicherte: Der römische Limes.

In seiner wechselvollen Geschichte vor etwa zweitausend Jahren grenzte der Limes in unterschiedlicher Form und Ausdehnung das römische Großreich militärisch und kulturell von den „Anderen“ ab. Die „Anderen“ – das waren damals nordafrikanische Wüstenstämme, kleinasiatische Königreiche, die Kelten im heutigen Großbritannien oder die „Barbaren“ in Germania Magna. Nach römischer Ansicht war es ihre Bestimmung, zivilisiert, das heißt romanisiert zu werden. Für die Eroberer war dieser Glaubenssatz nicht hinterfragbar. Die betroffenen Fürsten, Könige und Stammeshäuptlinge sahen das zweifellos anders. Parallelen zu den heutigen globalen Grenzsicherungen und Abschottungen mitsamt den dahinterliegenden Motiven bieten sich da geradezu an. Die alte Tradition wird geradlinig fortgeführt, wenn auch mit anderen Waffen, anderen Propagandamethoden und anderen Anderen.

Wie es der Zufall will, sitzt Osterburken genau auf der Linie des in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Obergermanisch-Rätischen Limes und noch dazu genau an der Stelle, wo sich einst ein römischer Militärstützpunkt mit Wachturm und ausgedehnter Kastellniederlassung befand, zu der auch ein komfortabler Thermenbereich gehörte. (Wie bekannt lief bei den Römern ohne Thermen garnichts.) So kam Osterburken, das erst ein halbes Jahrhundert nach dem Zusammenbruch des Römerreiches erstmals als Ansiedlung schriftlich erwähnt wird, zu der Ehre, sich heute „Römerstadt“ nennen zu dürfen. Zusätzlicher Glanz kommt von der Unesco, die den Obergermanisch-Rätischen Limes 2005 als Welterbe geadelt hat.

Annäherung an den Begriff Grenze

Das Wort Grenze ist ein alltäglicher Alltagsbegriff, eigentlich neutral und harmlos. Die Baumgrenze ist die Linie zwischen Wald und kahlem Hochgebirge, wo sich bestenfalls hier und da noch eine Krüppelkiefer ans karge Leben krallt. Völlig wertneutral. Kritisch wird’s erst, wenn der Mensch mit seiner wertebasierten Individual- und Gruppenidentität dazwischenfunkt.

Dann wird Grenze zur Linie zwischen dem positiven, gruppenbildenden Hüben und dem negativen Ausschluss derer dort Drüben. Gleichzeitig zeigt sie in aller Klarheit ihr dialektisches Potential. Sie verbindet zwei manchmal bis zur Feindseligkeit eskalierende Gegensätze – und sie trennt gleichzeitig den einen vom anderen, der aber ohne den einen nicht denkbar ist. Dazu fand ich einen schönen Satz in einer theoretisch-philosophischen Abhandlung zum Begriff Grenze: „Über den Ausschluss bleibt das andere präsent.“

Die militärische Botschaft der Limesgrenze

Römermuseum Osterburken

Was Wehrhaftigkeit, Dominanz, Ausdehnung und psychologische Ausstrahlung angeht, war das Römerreich zweifellos ein Empire. Auf diesem Niveau kann Osterburken selbstverständlich nicht mithalten. Was man in dem Landstädtchen vorfindet, sind ein paar antike Steine und Mauerfundamente, archäologisch erfasst und gesichert, dazu ein modernes, kleines, aber durchaus feines Museum sowie der Nachbau eines Wachturms in Originalgröße. Um die Wucht der römischen Supermacht, die vor zwei Jahrtausenden ganz Europa, Kleinasien und das Afrika nördlich der Sahara militärisch zu unterwerfen und sichern, wirtschaftlich auszubeuten und – beseelt vom Sendungsbewusstsein des moralisch und zivilisatorisch Überlegenen – als Einflußsphäre zu gestalten verstand: Um diese Wucht auch nur annähernd zu erspüren, braucht es außer Osterburkens Römerresten zusätzlich eine hochentwickelte Fantasie, dazu am besten auch noch eine gründliche Vorrecherche.

Am Obergermanisch-Rätischen Limes, in dessen Linienführung Osterburken mehr oder weniger durch Zufall hineingestolpert ist, standen sich zwei Welten Auge in Auge gegenüber, so wie vor nicht allzu langer Zeit sowjetische und amerikanische Panzer am Checkpoint Charlie im ebenfalls durch eine Grenze geteilten Berlin. Auch die Limesgrenze war eine Mauer, allerdings mit anderer Botschaft als die ehemalige deutsch-deutsche Grenze. Deshalb war sie auch physisch von anderer Beschaffenheit, – sie enthielt sogar ästhetische Elemente.

Grenzästhetik? Das römische Heer war doch eine hocheffektive Militärmaschinerie mit professionell ausgebildeten und bewaffneten Legionären, deren Job es war, zu erobern, zu unterwerfen, zu zerstören und zu töten, und genau das taten sie – hocherfolgreich. Sie verstanden ihr Handwerk meisterhaft, inclusive aller dazugehörenden, auch heute noch üblichen Kriegsverbrechen und –greuel. Tatsächlich bräuchten sie den Vergleich mit den Kriegern des 21. Jahrhunderts nicht zu scheuen, wenn man die Sache vom Ende her betrachtet: Zerstörung, Unterwerfung, Vergewaltigung, Folterung, Demütigung und was dergleichen Unmenschlichkeiten mehr sind.

Gleichzeitig entwarf dieses Großreich eine Wehrarchitektur, die auch künstlerische Gesichtspunkte berücksichtigte. Auf den ersten Blick bleibt das ein Rätsel. Schließlich war der Limeswall kein kultureller Wanderweg, sondern ganz offensichtlich eine militärische Zweckanlage. Eine befestigte Linie mit Wachtürmen in regelmäßigen Sichtabständen, verbunden durch Palisaden, einen Wall oder eine Mauer. An strategischen Punkten waren wehrhafte Kohortenkastelle platziert, in die je eine römische Kohorte (entspricht etwa 500 Mann) abkommandiert war. Dort lebte die Soldateska in ihren Militärunterkünften, aber gutsituiert, führte blutige Vergeltungs- und Rachefeldzüge gegen die Germanenstämme bis weit in deren Hinterland hinein, erquickte sich in ihren fußbodenbeheizten Thermen, allzeit kampfbereit natürlich, und schob Wache.

… und die psychologische Botschaft

Eingang zum Militärkastell, repräsentativ wie ein Königsschloss

Aus Puzzleteilen und Informationsfragmenten, mit denen die Archäologen verblüffende Rekonstruktionen herzustellen imstande sind, entstand das Modell eines Lagertores des Osterburkener Kastellkomplexes, so wie es etwa im Jahr 200 n. Chr. ausgesehen haben könnte. Monumental und gebieterisch, dabei einladend; weißes, rot verfugtes Mauerwerk und viele farbige Schmuckelemente. Da soll nichts abschrecken, nur warnen. Hinter solchen stolzen Mauern – das posaunt die Botschaft ins „Barbarenland“ hinaus – kann nur ein Reich liegen, das mächtig ist, verlockend in vieler Hinsicht, wehrhaft und stark.

Die Limesarchitektur transportierte also eine Warnung an alle eventuellen Sicherheitsbedroher, und gleichzeitig ein Angebot. Denn wie alle Machtzentren brauchten auch die Römer Bündnispartner. Ein Germanenstamm, der mit den imperialen Eroberern kooperierte, bedeutete einen Gegner weniger, zumindest vorläufig, und der Verbündete stand unter dem Sicherheits-Schutzschirm einer Großmacht. Es eröffneten sich ihm Karrieren in Militär und Verwaltung, verbunden mit materiellem Aufstieg. Sofern sie bestimmte Vorgaben erfüllten und die römische (lateinische) Sprache beherrschten, winkte sogar die Einbürgerung. Im Gegenzug wurden römische Interessen bedient: Ackerflächen bestellt, Dienstleistungen erbracht, und der Pool an rekrutierbaren Söldnern trocknete nicht aus. Stabilisierung und Sicherung der Macht waren und blieben eine permanente römische Baustelle. Eine win-win-Situation war es dennoch nicht. Die vereinnahmten Stämme bezahlten mit dem Verlust ihrer Unabhängigkeit einen hohen Preis.

Kein Zweifel, ebenso gut wie auf Blutbäder verstanden sich die Römer auf Kommunikation, verdeckte Manipulation, Propaganda und psychologische Kriegsführung. Zu diesem breitgefächerten Komplex zählt übrigens auch das Schattenreich der Geheimdienste mit ihren Agenten und Doppelagenten, das zur Römerzeit fraglos ebenfalls hochentwickelt war. Schließlich ist Spionage das zweitälteste Gewerbe der Welt.

So reiht sich die Limesgrenze, subtil und protzig, durchaus als Unikat in das weltweite Gemenge an Grenzen ein, in diesen unordentlichen Haufen aus banalen Straßensperren, rührend verwitterten Hinweisschildern auf Berggipfeln (siehe die deutsch-österreichische Zollgrenze auf dem Titelbild), Todesfallen und  Stacheldrahtverhauen.

Ausflug in die Kunst

Frauenpower im Barockzeitalter

Dann gibt’s da noch das weite Feld der geistigen Grenzen, das ich hier anhand eines schönen Beispiels nur streifen will. Das Bild links ist ein Ausschnitt aus dem Gemälde „Dianas Heimkehr von der Jagd“, das Peter Paul Rubens vor vierhundert Jahren gemalt hat. Es könnte in seiner Nein-ist-Nein-Thematik heute nicht aktueller sein. Die Grenze zwischen den beiden begehrlich starrenden Satyrmännern und der Jagdgöttin Diana symbolisiert ein Speer – eine Waffe also! – und er wird von Diana geführt. Sie ist es hier, die feministisch über Distanz und Nähe gebietet. Dass heutzutage jeder auf den ersten Blick erkennt, worum es hier wirklich geht, ist aber nicht nur einem ewig aktuellen Thema geschuldet. Der Barockmaler Rubens hat virtuos auch eine der Leitaussagen der Kunst erfüllt: Kunst bildet nicht ab, Kunst macht sichtbar. Deshalb wirkt das Gemälde heute noch so frisch. Allerdings hätte ein Rubens des 21. Jahrhunderts eine kleine Änderung vorgenommen: Er hätte Diana mit hocherhobenem Kopf und vorgerecktem Kinn gemalt.

Zerfall

Das römische Empire scheiterte letztlich an sich selbst. Es fiel in einem Jahrhunderte währenden Prozess in sich zusammen, ausgelöst durch die eigene Größe. Die Grenzen waren zu weitgezogen, um auf Dauer effektiv gesichert und verteidigt zu werden, die Steuereinnahmen reichten nicht mehr aus für die ins Maßlose aufgeblasene Heeresfinanzierung, die Söldner, sowieso schwerer zu kontrollieren als die eigenen Legionäre, verbündeten sich zunehmend mit ihren Verwandten auf der anderen Seite der Grenzen und der Migrantendruck nahm umso mehr zu, je mehr Schwachstellen und Lücken der Verteidigung bloßlagen.

 

Römischer Wachturm mit angedeuteter Limesmauer
Point Alpha: Ehemaliger NATO-Beobachtungsturm

 

 

 

 

 

Die Osterburkener Anlage symbolisiert durchaus, wenn auch mit bescheidenen Mitteln, Aufstieg und Niedergang des Imperiums. Die Blütezeit verkörpert der einem römischen Original nachgebaute Wachturm auf einer Anhöhe etwa einen Kilometer südlich der Stadt. Von seinem Wehrgang aus blickt man weit über die fränkischen Dinkelfelder. Losgelöst aus dem Kontext seiner kriegerischen Funktion ergibt er jedoch ein eher harmloses Bild. Auf einem Abenteuerspielplatz für Kinder würde er sich gut machen. Es fehlt das Spannungsfeld der Ruhe vor dem (militärischen) Sturm mit ihrem Angebot aus Unbehagen, Gefahr, Schrecken und Angst. Hierfür wäre ein Besuch der Gedenkstatte Point Alpha zwischen dem thüringischen Geisa und dem hessischen Rasdorf besser geeignet, einem Grenzübergang, wo sich während des Kalten Krieges NATO und Warschauer Pakt gegenseitig belauerten.

Umriss des Kastelltors in Originalgröße

Das Kastell selbst, das heißt dessen Überreste, sofern sie freigelegt sind, hat man in ein begehbares Gelände mit Hinweistafeln umgewandelt und Limespark genannt. Er umfasst den Annex, um den das Kastell während der imperialen Ära erweitert wurde. Eine auf dem Gelände installierte Stahlrahmenkonstruktion mit den Umrissen des Kastelltores deutet die anmaßende Monumentalität der Wehranlage an, besonders im Vergleich zu den dahinter sichtbaren Osterburkener Einfamilienhäusern.

Der Großteil des Kastells ist heute überbaut und versiegelt. In dem teilweise freigelegten Thermengelände, angrenzend ans Museum, kommt der beginnende Zerfallsprozess zum Ausdruck. Der ursprünglich großzügigst angelegte Badebereich wurde verkleinert, als man ein Kontingent der Kastellbesatzung abzog, um im fernen Kleinasien gegen die Sassanidenkönige zu kämpfen. Für die im Kastell Verbliebenen musste dann eben weniger Komfort reichen.

Die Zeit als Grenze

Sonnengott Mithras in Kriegspose

Thermengelände und Museum mit integriertem Café liegen zentral mitten in der Stadt. Das Museum ist ein moderner Bau, elegant und mit großzügiger Raumaufteilung. Es präsentiert die bei den Ausgrabungen zutage geförderten Fundstücke aus dem militärischen und zivilen Alltagsleben der Kastellbewohner. Eins der Ausstellungshighlights ist ein Steinrelief des Gottes Mithras. Hauptsächliche Museumsbesucher sind Schulklassen, und ich hatte – etwas abseits sitzend – die Gelegenheit, eine Schar Halbwüchsiger zu beobachten, als sie ausführlich und fundiert über römische Glaubensrituale belehrt wurden und über den zweifellos wichtigen Punkt, dass die Römer den Sonnengott Mithras verehrten, obwohl er garnicht zum römischen Götterhimmel gehörte. Mir schien, die Teens hatten bei über dreißig Grad Außentemperatur und zwei Tage vor den baden-württembergischen Sommerferien anderes im Kopf.

Die große Fülle der In Museumsvitrinen ausgestellten Exponate wirkt auf den Laien häufig nach einiger Zeit ermüdend, was nachvollziehbar, aber leider nicht zu ändern ist. Warum sichert man solche Haufen an Klein- und Großteilen so aufwendig, katalogisiert und untersucht sie und stellt sie aus? Publiziert wissenschaftliche Berichte in Fachzeitschriften? Warum finanzieren Länder und Bund Ausgrabungen, die nichts weiter als Reste von Mauersteinen, verbogene Lanzenspitzen, Gefäßscherben oder ein halbkaputtes Mithrasrelief ans Tageslicht befördern? Und bezeichnet das Ganze dann als Erbe der Menschheit?

Wenn die Hinterlassenschaft eines imperialen Großreichs mit ihren Errungenschaften als auch Gräßlichkeiten heute als schützenswert gilt, integriert in den schulischen Bildungsbereich, liegt das möglicherweise an einer weiteren Grenze  – der zeitlichen. Sie spaltet die aktuelle Jetztzeit von der zweitausend Jahre alten ab und transformiert letztere ins Verblasste, Verklärte und Exotische. In etwas, das es verdient bewahrt zu werden, weil es zu den Wurzeln führt. In ein Erbstück, das gehütet wird wie der von Generation zu Generation weitergegebene Familienschmuck.

Meines Wissens ist man noch nicht so weit, die Überbleibsel der deutsch-deutschen Grenze als Erbe der Menschheit vorzuschlagen. Dazu muss die Zeitschere noch viele Generationen lang weiter auseinandergehen. Vorläufig ist Checkpoint Alpha noch eine Gedenkstätte und Checkpoint Charlie ein Touristenrummel. Wann und ob sich diese Einstellung ändern wird? … siehe Limesgrenze – in ferner Zukunft natürlich …

Sollte man, aus welchen Gründen auch immer, einmal in Osterburken stranden, dürfte sich eine ausgiebige „römische Begehung“ durchaus lohnen, sogar mit anschließender Übernachtung im einzigen Hotel des Ortes, das den reizenden Namen „Märchenwald“ trägt. Ein gediegenes, ruhig gelegenes, familiengeführtes Haus. Mit Wetterglück sitzt man an einem warmen Sommerabend auf der Außenterrasse, schaut in einen fabelhaften, rosa Sonnenuntergang, ist umgeben von tafelnden Mitgästen und kann seinen Gedanken freien Lauf lassen. Genau genommen sitzt man hier im Barbarenland. Das römische Empire beginnt erst einen Kilometer weiter westlich. Aber den Untergang hat es schon hinter sich. So kann man gelassen und beruhigt auf gut römisch seufzen: Sic transit gloria mundi!

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Das Titelbild zeigt von links nach rechts
Sowjetisches Verbotsschild / Gedächtnisstätte Point Alpha
Österreichisch-deutsche Zollgrenze auf dem Widderstein im Kleinwalsertal / Aufnahme im Januar 1964
Grundmauerverlauf des römischen Limeskastells in Osterburken

 

 

 

 

 

 

 

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