Weiblich, single, erste Hälfte
20. Jahrhundert

Weiblich, single, erste Hälfte
20. Jahrhundert

Wie es weiterging mit Mia, Kasia, Harriet, Martha

 

Zum ersten Teil dieses Berichts siehe: Mia, Kasia, Harriet und Martha
Dort auch Infos zu Adressen, Öffnungszeiten usw.

Für alle vier Frauen bedeutete die Scheidung beziehungsweise der Tod des Ehemannes eine heftige Zäsur. Keine von ihnen verheiratete sich wieder. Die materielle Existenz geriet ins Wanken, die Einkünfte schmolzen zusammen oder brachen ganz weg. Wie gingen die Frauen damit um, welche Möglichkeiten standen ihnen zur Verfügung? Und waren sie fähig, den Seelenstress zu verarbeiten?

Ein dem heutigen vergleichbares staatliches Sozialnetz gab es damals nicht. Kasia von Szadurska konnte nach ihrer Scheidung nicht einfach zum Sozialamt gehen  und Hartz IV beantragen. Mia Hesses Aufenthalte in diversen Nervenheilanstalten mussten privat bezahlt werden. Während dieser Zeiten wurden ihre drei Söhne getrennt zwischen Familienangehörigen und Freunden hin und her geschoben. Das geht aus der biografischen Hesse-Literatur hervor, ohne näher kommentiert zu wurden. Offenbar war es seinerzeit also zumindest nicht unüblich, dass Freunde ein Zimmer in ihrem Haus zur Verfügung stellten, um ein Pflegekind eine Zeitlang aufzunehmen. Es scheint sogar selbstverständlich gewesen zu sein, bei den Hessesöhnen funktionierte es jedenfalls über mehrere Jahre.

Es besteht kein Zweifel, dass in vorsozialstaatlichen Zeiten persönliche Netze existierten, die durchaus belastbar waren. Sie waren nicht in Gesetzesform gegossen wie die heutige Sozialstaatlichkeit, sondern beruhten auf einer gemeinsamen Wertebasis, die nicht dauernd beschworen werden musste. So konnten die in Not Geratenen auf unterschiedliche Ressourcen zugreifen: Finanzielle Zuschüsse, Aufnahme bei Familie oder Freunden, Bring- und Holdienste usw. Zugleich jedoch transportierten diese materiellen Dienste, und dies unterscheidet sie wesentlich von den heutigen einklagbaren sozialstaatlichen Maßnahmen, immaterielle Hilfen in Form von Empathie, Freundschaft, Solidarität, Trost – wirksame Heilmittel gegen Vereinsamung, Verzweiflung und Resignation. Ein menschliches Gesicht, das Fürsorglichkeit ausdrückt, wirkt anders als ein noch so positiver Behördenbescheid.

Mia Hesse baute auf

Kamera aus vordigitaler Zeit

Bisher:
Von 1904 bis 1912 lebten Hermann und Mia Hesse in Gaienhofen am Bodensee, zuerst in einem Bauernhaus zur Miete, die letzten vier Jahre im eigenen „Haus am Erlenloh“. Hermann war produktiv und finanziell erfolgreich, ertrug jedoch das sesshafte, bürgerliche Leben nicht, dem er sich durch häufige Reisen entzog. Mia verzettelte sich auf Kosten ihrer Fotografenkarriere in Haushalt, Alltag und Kindern. Die moderne Fotografin Mia Bernouilli, verheiratete Hesse, gab diese Lebensplanung im Lauf der Ehe auf. Auch die fototechnische Entwicklung überholte sie. 1912 zog die Familie in die Schweiz.

Hermann Hesse verließ die Ehe, aus der er sich innerlich längst verabschiedet hatte, im ersten Nachkriegsjahr 1919. Was folgte, war ein grausamer, langer Rosenkrieg. Mia litt unter Depressionen und nervlichen Abstürzen, die immer wieder in einer Einweisung in ein Sanatorium oder eine Heilanstalt endeten, damals Irrenhaus genannt. Noch heute geistert sie als Geistesgestörte durch einen Teil der Hesse-Literatur.

Um ihre Kinder zu sich nehmen zu können, kaufte sie aus ihrem väterlichen Erbe ein Haus in Ascona. Ab etwa 1921 gewann sie langsam wieder Boden unter den Füßen. Sie vermietete Fremdenzimmer, gab privaten Klavierunterricht, saß beim five o‘clock tea in den angesagten Hotels Asconas am Piano und sorgte für die Hintergrundmusik und begleitete musikalisch die damals beliebten Eurythmiekurse. Sie sicherte ihren Unterhalt und stabilisierte ihr Leben, was auch den Kindern zugute kam.

Die Verbindung zu Hermann hielt sie auch nach der Scheidung 1923 aufrecht, zunächst zu dessen Verdruss. Im Lauf der Jahre entwickelte sich aber zwischen den Ex-Eheleuten ein stetiger, distanziert-freundschaftlicher Briefwechsel und später ergaben sich sogar gegenseitige Besuche. Aus der Beziehung mit Hesse, dem Ehemann, ging Mia psychisch lädiert, aber auch erstarkt hervor. Die Verbindung zu Hesse, dem Vater ihrer Kinder, hielt sie aufrecht durch dick und dünn. Dadurch ermöglichte sie es ihren Söhnen, eine Beziehung zu beiden Elternteilen aufzubauen, ohne Partei ergreifen zu müssen. Am literarischen Werk ihres Exmannes nahm sie bis zu dessen Tod kritisch Anteil. Die Bedeutung von Hesse, dem Dichter, hinterfragte sie nie.

Als 1942 Mias Haus in Ascona abbrannte, zeigte das persönliche Sozialnetz, wie zuverlässig es funktionierte: Sie fand Aufnahme im Haus ihres jüngsten Sohnes Martin. Die letzten fünf Jahre ihres Lebens verbrachte sie in einem Berner Altenheim. Sie starb 1963, hochbetagt als 95jährige, ein Jahr nach Hermanns Tod.

Kasia von Szadurska zerbrach

Bisher:
Der illegitime Spross einer unstandesgemäßen Verbindung wuchs bei einer Adoptivfamilie in Dresden auf und erhielt eine Ausbildung als Malerin. In der Münchner Kunstszene lernte sie ihren späteren Ehemann Otto Ehinger kennen, Jurist, Journalist und Erbe einer Meersburger Brauerei. Heirat 1910. Übersiedlung nach Meersburg. Künstlerisch war Kasia als Malerin, Grafikerin und Buchillustratorin erfolgreich, die Integration in die konservative, katholische, provinzielle, bürgerliche Gesellschaft gelang jedoch nicht. Scheidung 1935.

Kasia und die Katzen: Auch im realen Leben ein inniges Verhältnis

Die Künstlerin blieb Künstlerin. Bis zum bitteren Ende. Sie besaß nicht den Pragmatismus wie Mia Hesse, die Fremdenzimmer vermietete und Klavierunterricht gab. Bürgerlicher Broterwerb war für Kasia von Szadurska offenbar eine unbekannte Welt, in die sie nicht hineinfand und es wohl auch nicht wollte. Sie konnte auf kein Erbe zurückgreifen und ihr soziales Netzwerk war dünn und nicht stabil genug. Schlechte Startbedingungen … Geschäftliche Kompetenz war auch nicht ihre Sache. Ihr Exmann Otto Ehinger schlug nach ihrem Tod ihr Erbe aus, auch im Namen der Söhne, mit der Begründung, bei Kasias „mangelndem Sinn für alles Geschäftliche“ befürchte er „Überraschungen“, die die Söhne „möglicherweise ihr Lebtag belasten“ könnten. Kurz: Der Jurist Ehinger wollte verhindern, dass die Kinder Schulden erben.

Die Eheleute Otto Ehinger und Kasia von Szadurska trennten sich 1935. Kasia wurde wegen „fortgesetzten Ehebruchs“ mit einem Malerkollegen schuldig geschieden, erhielt keinen Anspruch auf Unterhalt und das Sorgerecht für die beiden Söhne wurde Otto Ehinger zugesprochen.  Sie war darauf angewiesen, von ihrer Kunst zu leben.

Die folgenden sieben Jahre bis zu ihrem Tod 1942 waren ein physischer und seelischer Leidensweg, an dessen Ende eine gebrochene, kranke Sechsundfünfzigjährige dem Tod nichts mehr entgegenzusetzen hatte.

Als anerkannte Porträtistin konnte sie sich zunächst mit Auftragsporträts über Wasser halten, obwohl ihr die Kompromisse widerstrebten, die sie auf Wunsch der Auftraggeber berücksichtigte. Sie hasste diese Abhängigkeit, in die sie Zeit und Energie investieren musste, die ihr für ihre eigentlichen Arbeiten, die ihr am Herzen lagen, fehlten. Gleichzeitig war es eine Erleichterung, wenn nach einer Ausstellung wieder „6 Aufträge für Kinderporträts“ bei ihr eingingen.

Ab 1937/38 schien sie ihre Zukunft nicht mehr am Bodensee zu sehen und zog nach Berlin. Etwa zur selben Zeit erkrankte sie und musste sich einer Brustkrebsoperation unterziehen. In Berlin trat sie in den „Verein Berliner Künstlerinnen“ ein  und nahm an dessen Ausstellungen teil. Der Verkauf ihrer Bilder war jedoch sporadisch und ihre finanzielle Lage grenzte an Existenzgefährdung. Gelegentlich scheint sie von ihrer Schwägerin, Otto Ehingers Schwester, etwas Geld erhalten zu haben. Auch ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich. Ihrer Schwägerin berichtete sie, sie hoffe, den sie behandelnden Arzt, den sie noch vom Bodensee her kenne, mit einem ihrer Bilder bezahlen zu können. Da scheint es nochmal auf, das persönliche Sozialnetz der damaligen Zeit. Aber es reichte nicht zum Überleben. Es war zu dünn, zu brüchig. Kasia starb 1942 in einem Berliner Krankenhaus an ihrer Krankheit und in desolater körperlicher Verfassung. Zerbrochen ist sie letztlich an ihrer Vereinsamung, dem Schmerz um die Trennung von ihren Kindern, an ihrer finanziellen Not und ihrer künstlerischen Unbedingtheit.

Harriet Straub kam mit einem blauen Auge davon

Bisher:
Harriet Straub beschritt vielfältige Nebenwege, bevor sie in den Hauptweg mündete, das gemeinsame Leben mit Fritz Mauthner. Elternhaus und Jugend waren kompromisslos katholisch, die Kurse bei Helene Lange in Berlin führten sie zur Frauenrechtsbewegung, als Ärztin in der französischen Sahara bewegte sie sich im Zusammenprall zweier Kulturen. Etwa 1906, da war sie Mitte Dreißig, lernte sie den Sprachphilosophen Fritz Mauthner kennen. Heirat 1910.  Fritz und Harriet, bürgerlich Hedwig Straub beziehungsweise Hedwig Mauthner, lebten in produktiver Gemeinschaft im Glaserhäusle, ihrem Refugium außerhalb von Meersburg. Dort starb Harriet 1945 wenige Wochen nach Kriegsende.

Als Harriet Straubs Ehemann Fritz Mauthner 1923 starb, lebten die beiden schon seit einem guten Dutzend Jahren im Glaserhäusle, das der seinerzeit berühmte Sprachphilosoph 1909 erworben hatte. Das Haus am westlichen Rande von Meersburg, abgeschieden wie eine Klause, zum See hin auf einem hochaufragenden Steilhang thronend, nach vorne von Wald umgeben, war genau der stille, abgeschiedene Kraftplatz, den Mauthner auf der Flucht vor Großstadtlärm und journalistischem Alltagsdruck gesucht hatte.

Für beide waren es schöpferische Jahre, in denen sich ihre Kreativität literarisch entfaltete. Fritz Mauthner, damals ein Star in der philosophisch-publizistischen Welt und in einem Atemzug mit Ludwig Wittgenstein genannt, sorgte mit seinen Publikationen für das nötige Einkommen. Harriet Straub schrieb und veröffentlichte Essays, Kurzgeschichten, Romane, Aufsätze und Berichte, in denen sie den Berliner Einfluss als Schülerin der Frauenrechtlerin Helene Lange und ihren zehnjährigen Aufenthalt als Ärztin bei den Beduinen der Sahara verarbeitete.

Die Abendfarben der Wüste

Als junge Frau, gerade zur Ärztin promoviert, hatte sie sich bereitwillig, mit offenen Armen, auf das Leben und die Bewohner der Wüste eingelassen. Die Eindrücke, denen sie ausgesetzt  war und die Erfahrungen, die auf sie einstürzten, müssen von ungeheurer Wucht gewesen sein. Sie schärften ihre Sinne, „reinigten“ ihr Denken von so manchem faulen und überflüssigen, europäischen Kulturballast und drangen tief in ihre Emotionalität ein. All ihre Essays und Berichte, auch und gerade jene, die die Wüste nicht zum Thema haben, spiegeln dies wider. Ihre klar sezierenden Analysen, ihre scharfsinnigen, feinen Beobachtungen speisen sich aus dieser Quelle, ebenso wie ihre Empörung und ihre ungestüm leidenschaftlichen Appelle an die Frauen, den Hintern hochzukriegen und ihr Leben endlich selbstverantwortlich zu gestalten.

Die Mauthners hatten einen stabilen Freundeskreis an Kreativen und Künstlern, im konservativen, katholischen Meersburg waren Harriet und ihr als Atheist klassifizierter Ehemann jedoch Fremdkörper. Insbesondere dem katholischen Klerus waren sie ein Dorn im Auge. Als die Stadtväter dem deutschlandweit berühmten Einwohner ihrer Gemeinde die Ehrenbürgerschaft verliehen, starteten die um das Wohl ihrer Schäflein ebenso wie um ihre eigene Machtstellung besorgten kirchlichen Würdenträger einen Gegenfeldzug, der sich in so manch kleinkariertem Gehacke äußerte: So weigerten sich Ladenbesitzer, dem „Heiden“ Mauthner Lebensmittel zu verkaufen.

Obwohl es nachvollziehbar gewesen wäre, wenn Harriet Straub nach Fritz Mauthners Tod Meersburg verlassen hätte, hielt sie zäh am Glaserhäusle fest. Ihre Finanzen erlaubten es ihr eigentlich nicht mehr. Die Lage wurde noch kritischer: Dem Glaserhäusle drohte die Zwangsversteigerung. Und 1933 verlor die „Witwe eines Juden“ auch ihre Witwenrente. Aber Fritz und Hedwig hatten ein reißfestes, soziales Netzwerk geknüpft, dessen Mitglieder, darunter der Dramatiker Gerhard Hauptmann, die Witwe bis zu ihrem Tod freundschaftlich mittrugen. Sie erhielt Geldspenden, Solidarität und Unterstützung.

Insbesondere Wilhelm Restle, als katholischer Pfarrer ein Außenseiter seiner Zunft, bewies Zivilcourage und ließ sich in seiner Freundschaft für die verwitwete Frau Mauthner nicht beirren. Er verhinderte die Zwangsversteigerung des Glaserhäusle, indem er ihr das Haus abkaufte und lebenslanges Wohnrecht gewährte. Restle half während der Weimarer und der Nazizeit vielen in Not Geratenen und politisch Verfolgten, auch um den Preis eigener Gefährdung; und Harriet Straub gehörte bis zu ihrem Tod zu seinen Schützlingen, die er besuchte und finanziell unterstützte. Dass daraus Gerüchte, welcher Art diese Besuche wohl seien, und Klatsch erwuchsen, versteht sich von selbst.

Harriet Straub hat nach Mauthners Tod bis in die dreißiger Jahre weiter publiziert, aber es wurde immer weniger. Ihr Hauptanliegen war es, Mauthners Vermächtnis und das Glaserhäusle zu bewahren und zu verhindern, dass dieser Hort der Kultur und des privaten Glücks in die Hände irgendwelcher kultureller Kleingeister geriet. Mit Hilfe von Pfarrer Restle, der das Haus nach ihrem Tod 1945 als würdiger Nachfolger selbst bezog, und ihrer solidarischen Unterstützer,  hat sie das geschafft.

Ob es einen Zusammenhang gibt zwischen dem intoleranten Mobbing der Meersburger Bürgerwelt und der Entschlossenheit der Glaserhäusle-Bewohnerin, ihre geliebten vier Wände, durchtränkt von Kunst und Literatur und beladen mit Erinnerungen, um jeden Preis vor der Entweihung durch die Grobheiten solcher Kulturbanausen zu schützen?

Martha Dix bewahrte Haltung

Bisher:
Otto Dix, seit 1926 mit Martha verheiratet, erlebte als Maler in den zwanziger Jahren einen phänomenalen Aufstieg. 1933 der totale Absturz als „entarteter Künstler“; Verlust der Professur; Notemigration in die Provinz. Martha Dix genoss die „Wilden Zwanziger Jahre“ und erduldete die in der Nazizeit einsetzenden Nöte. Aber als Nur-Ehefrau blieb es ihr erspart, den beruflichen Boden unter den Füßen wegbrechen zu sehen. Und im Gegensatz zu Otto gelang es ihr, sich mit der Bodenseeprovinz zu versöhnen. Nach dem Tod ihres Mannes lebte sie weiterhin in der Hemmenhofener Villa, einem behäbig-luxuriösen Landhaus, umgeben von einem  Hanggarten, groß wie ein Park. Das gesamte Anwesen war erlesen und großbürgerlich. Sogar das Gartentor war ein Kunstwerk. Als Erbin und Tochter einer begüterten Familie war Marthas Lage finanziell nie kritisch.

Eingangstor zum Dixanwesen, handgeschmiedet vom jüngsten Sohn Jan

Als Otto Dix 1969 starb, war die Lage der Familie politisch, künstlerisch und finanziell stabilisiert. Nach den schwierigen Kriegsjahren – kurz vor Kriegsende wurde Dix noch zum Volkssturm eingezogen und geriet in französische Kriegsgefangenschaft – und Nachkriegsjahren erhielt er Ende der fünfziger Jahre unter anderem zwei lukrative Großaufträge. Nachdem das Aufblühen der abstrakten Malerei in den Sechzigern abklang, nahm man auch Dix wieder wahr, der dem gegenständlichen Malen stets treu geblieben war.

Die persönliche Ebene war komplizierter. Dix hatte kurz nach seiner Eheschließung mit Martha ein Verhältnis mit Käthe König begonnen, einem seiner Dresdner Models, das er bis zu seinem Tode aufrechterhielt. 1939 kam die gemeinsame Tochter Katharina zur Welt. Ein reger Briefwechsel sicherte die Kommunikation. Täglich wanderte der Maler auf seinem Morgenspaziergang zum Hemmenhofener Postamt, zweifellos um zu verhindern, dass Käthe Königs Liebesbriefe in Marthas Hände gerieten. Wann immer möglich, reiste er nach Dresden zu seiner Schattenfamilie.

Offiziell hat sich Martha zu der Dresdner Parallelfamilie ihres Mannes nie geäußert. Nach außen hin wahrte sie das Bild einer intakten Familie. Sowohl vor wie auch nach seinem Tod vermied sie es, aus dem Schatten ihres Mannes herauszutreten, unterließ jeden Versuch einer eigenen künstlerischen oder beruflichen Laufbahn, publizierte keine Memoiren. Sie war die Frau des (wieder) anerkannten, preisgekrönten, erfolgreichen Künstlers, deren Aufgabe es war, seinen Status und seine Bedeutung – gerade auch nach seinem Tod – zu pflegen und am Strahlen zu halten. Was Käthe und Katharina König anging, bewahrte sie souverän und kommentarlos Haltung. Nach außen hin.

Knapp zehn Jahre lebte Martha Dix nach Ottos Tod noch in ihrem Haus in Hemmenhofen am Bodensee. Die Witwe des inzwischen weltweit anerkannten Künstlers und prominenteste Einwohnerin der Gemeinde war für Hemmenhofen zweifellos ein Bonus, der immer wieder internationales Flair in das Dorf am Untersee wehte. 1978 zog die 83jährige in die Provence zu ihrer Enkelin Bettina, dem einzigen überlebenden Kind ihrer früh verstorbenen Tochter Nelly. Die Vereinsamung blieb ihr erspart. Das soziale Netz funktionierte.

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