Zwei Sächsinnen und ihre Fussabdrücke

Zwei Sächsinnen und ihre Fussabdrücke

Nur starke Frauen in Leipzig?

 

Wir leben in einem starken Staat, oder? Seit Neuestem gibt es sogar ein starkes Gesetz (das sogenannte „Starke Familiengesetz“). Und wenn es um Frauen geht, die im öffentlichen Rampenlicht stehen, so sind sie eigentlich alle stark. Städte und Gemeinden schmücken sich gern mit ihren starken Frauen, den lebenden und mehr noch den vergangenen – sofern sie als Urahninnen der Frauenemanzipation herangezogen werden können. Unter diesem Gesichtspunkt werden sie  besonders gern ausgeleuchtet und beurteilt.

Unter Leipzigs starken Frauen steht in vorderster Linie die 1819 geborene Konzertpianistin Clara Schumann. Nach der Erkrankung und dem Tod ihres Mannes Robert brachte sie ihre vielköpfige Familie mit ihrer künstlerischen Arbeit alleine durch. Louise Otto-Peters, ebenfalls 1819 geboren, Frauenaktivistin, sozialkritische Schriftstellerin und Journalistin, lebte die letzten fünfzehn Jahre ihres Lebens in Leipzig. Clara Zetkin, geboren 1857 im sächsischen Wiederau, kämpfte als sozialistisch-kommunistische Politikerin für das Frauenwahlrecht und die vollständige Gleichberechtigung der Frauen. Leipzig hat einen Park nach ihr benannt. In die Reihe der berühmten Leipziger Frauen wird manchmal auch Ulrike von Levetzow eingereiht. Die geborene Leipzigerin besaß bereits als 17jährige die Stärke – oder einfach die jugendliche Unbefangenheit -, den Heiratsantrag des 72jährigen Titanen Johann Wolfgang von Goethe abzulehnen.

Über Johanna Seyfferth und Amalie Dietrich wird wenig geschrieben. Bei Amalie Dietrich ist der Zusatz „starke Frau“ durchaus passend und dem Fachpublikum ist sie bekannt. Johanna Seyfferth kann beim besten Willen niemand als starke Frau bezeichnen. Dennoch haben beide einen kostbaren und nachhaltigen Fußabdruck in Leipzig hinterlassen.

Johanna, gebürtige Leipzigerin, und Amalie, aus dem sächsischen Siebenlehn, sind Randfiguren der Leipziger Chronik. Beide Frauen lebten im 19. Jahrhundert und waren Kinder, und als Frauen auch Opfer, ihrer Zeit. Die Ära war patriarchalisch; eine Tochter erzog man im Hinblick auf ihre Rolle als Ehefrau, Hausfrau und Mutter, unmündig, unselbständig und unfrei. Gleichzeitig zeigten sich die ersten Risse in dieser männerdominierten Gesellschaftsordnung, denn Frauen begannen, Freiheiten auch für sich zu entdecken, sie zu formulieren und schließlich auch einzufordern.

Johanna und Amalie waren Zeitgenossinnen, lernten sich aber nie kennen. Beide stammten aus geordneten Familienverhältnissen – Johanna großbürgerlich und privilegiert, Amalie eine Handwerkertochter. Ihre Lebensläufe könnten unterschiedlicher nicht sein und spiegeln gerade deshalb die Bandbreite der Möglichkeiten eines damaligen Frauenlebens mit all seinen Zumutungen, Optionen, Perspektiven, Chancen und Entbehrungen. Jede der beiden hinterließ Leipzig eine besondere Kostbarkeit: Aber während die Stadt den nach der unglückseligen Johanna benannten Johannapark als Geschenk erhielt, musste sie die ethnografische Sammlung der zähen und durchsetzungsstarken Amalie erkämpfen und erkaufen. Auch dies charakterisiert, wenn man so will, den jeweiligen Charakter der beiden Frauenschicksale.

Die Geschichte Johannas stelle ich unter dem Titel „EIN PARK FÜR JEDE JAHRESZEIT“ in meinen Blog.

Amalies Lebensweg, gekennzeichnet durch hartnäckigen Kampf und glänzenden Erfolg, finden Sie unter „AUS DER SÄCHSISCHEN PROVINZ NACH AUSTRALIEN“.

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